Drip Bar in Hamburg

Auf dem Gewürz-Drip: Drinks mit besonderer Note

Geschüttelt oder gerührt war gestern – heute wird gedrippt. Wer im Hamburger Szeneviertel St. Pauli zu Gast in der Dripbar ist, lässt sich auf völlig neue Geschmackserlebnisse ein: Cocktails mit Gewürz-Infusionen.

  1. Das japanische Cold-Drip-Verfahren
  2. Das Geheimnis: Die richtige Mischung

Christian Janzen braucht für seinen Job vor allem eins: Geduld. Viel Geduld. „Man weiß eben nie, was am Ende rauskommt“, so der gelernte Restaurantfachmann, Cocktail-Experte und Gründer der Hamburger Dripbar, einer außergewöhnlichen Bar im gemütlichen Wohnzimmer-Style. Die Ergebnisse seiner Geduldsproben stehen am Ende auf der Karte und heißen zum Beispiel „Gin Basil & Tonic“, „Royal Hibisco Gin Fizz“ oder auch „Cucumberlada“ – wenn im wahrsten Sinne alles gut gelaufen ist.

Denn über viele Stunden, manchmal auch Tage, lässt Janzen hier Tropfen für Tropfen kleine Geschmackswunder entstehen. Spirituosen wie Gin, Wodka, Tequila oder Rum werden mit immer wieder frischen, neuen Zutaten „infusioniert“ – also geschmacklich aufgeladen. Und so finden Hamburger Nachteulen in ihren eisgekühlten Drinks die Geschmacksessenzen von Basilikum, Kardamom und Hibiskusblüten – oder auch salziger Erdnüsse oder zuckrigem Popcorn. Wie geht das?

Das japanische Cold-Drip-Verfahren

„Wir verwenden für unsere Cocktails japanische Cold-Brew-Dripper“, so Janzen über die an den Chemieunterricht erinnernden Apparaturen mit Glaskolben hinter der Theke. „In Japan wird damit Kaffee gemacht. So entsteht ein besonders milder Kaffee ohne Säure und Bitterstoffe. Wir machen uns das sanfte Cold-Drip-Verfahren zunutze, um aus Gewürzen, Kräutern oder sonstigen Zutaten den bestmöglichen Geschmack für unsere Drinks herauszuziehen.“

japanisches Cold-Drip-Verfahren

 

Janzen hat, bevor er im Juli 2016 die Dripbar in Hamburg eröffnete, Cocktails in Bars wie der im Vier Sterne Hotel „Le Royal Meridien“ an der Alster gemixt. Aber immer den gleichen Gin Tonic zu servieren – das hat ihn irgendwann nicht mehr gereizt. Er experimentierte zuhause erst mit Cold-Drip-Coffee, dann mit Rum, den er über Spekulatius tropfen ließ. Immer weiter stieg er in das Thema ein, las Bücher über die Kultur des Mixens und die Aromatisierung von Alkohol. Dann kam die Idee mit der eigenen Bar und der Spezialisierung auf Drip-Cocktails. „Es gab und gibt immer wieder mal Bars, die solche Cold-Brew-Dripper aufstellen. Oft sind das aber nur Specials für kurze Zeit. Danach verschwinden sie wieder. Es ist den meisten Barkeepern zu aufwändig und kompliziert.“ In der Dripbar ist das Cold-Drip-Verfahren aber Hauptkonzept. „Deswegen ziehen wir das hier auch durch“, so Janzen überzeugt.

Das Geheimnis: Die richtige Mischung

Es gilt, die jeweils richtige Kombination aus Art und Menge der Zutat, Tropfgeschwindigkeit des Alkohols und Dauer des Prozesses zu finden. Für seinen „Mamani Gin & Tonic“ zum Beispiel tropft alle sieben Sekunden Gin in einen Siebbehälter mit frischem Koriander – das Ganze rund 24 Stunden lang. Die auf diese Weise stattfindende, langsame Extraktion, auch „Mazeration“ genannt, wäscht nur die ätherischen Öle des Korianders aus, nicht aber dessen Bitterstoffe. Bei anderen Drinks wird das Verfahren auf Kardamom, Minze oder Basilikum oder eben auch mal Popcorn angewendet – mit jeweils anderer Tropfgeschwindigkeit und Dauer der Extraktion.

 

Jeder Drink der Dripbar ist einzigartig. Bis er komplett ausgeklügelt ist, kann ein wenig Zeit vergehen. Janzen: „Manchmal brauche ich drei, manchmal zehn Versuche, bis der Cocktail wirklich so schmeckt, wie ich ihn mir vorgestellt habe.“ Auch jedes Detail ist wohlüberlegt. Selbst die Eiswürfel sind kleine Kunstwerke: mal klein, mal groß, mal quadratisch, mal rund. Auch sie kommen aus einer japanischen Apparatur, einer speziellen Tiefkühlmaschine. Die Eiswürfel werden danach nochmal tiefgefroren, sind also bei minus zwanzig Grad „double-frozen“, wie das im Fachjargon heißt. Auf diese Weise bleibt die Qualität des Getränks im Mixvorgang erhalten, denn es bildet sich kein Schmelzwasser, das dann im Drink landet. Erhalten bleibt der reine Geschmack des Cocktails, der dann in ebenfalls tiefgekühlte Gläser gefüllt wird.

Ist so ein Drink mit Gewürzinfusion am Ende sogar gesund? „So weit würde ich nicht gehen“, schmunzelt Janzen. „Gefühlt vielleicht ja, weil man einen würzigen oder manchmal auch leicht erdigen Geschmack im Mund hat. Aber Vitamintests habe ich noch keine gemacht.“ Sein persönlicher Lieblingsdrink ist derzeit der „Salty Peanut Fashioned“. Das ist acht Jahre alter Rum, der sechzig Stunden lang über angeröstete Erdnüsse mit Meersalz tropft. Dazu kommt Ahornsirup und Orangenblütenwasser. Janzen: „Jeder Schluck schmeckt anders und verändert die Bilder im Kopf.“

Dutch coffee
Wer hat’s erfunden?

Verzweifelte holländische Seefahrer sollen schon vor Jahrhunderten das heute so hippe Cold-Drip-Verfahren erfunden haben. Auf ihren Reisen in und durch die niederländischen Kolonien Asiens war heißes Kaffee-Aufbrühen nahezu unmöglich. Also kamen sie auf die Idee, ihren geliebten Kaffee einfach mit kaltem Wasser herzustellen – praktischerweise war dieser kühle Kaffee erfrischend, wochenlang haltbar und geschmacklich alles andere als „kalter Kaffee“. Japaner und Koreaner haben dieses Verfahren dann weiter perfektioniert – von dort kommen auch die stylishen Cold-Dripper, die in der Dripbar hinter der Theke stehen. Genannt wird Cold-Drip-Coffee in Asien seiner Geschichte wegen auch „Dutch Coffee“.

Rezept: „Mayribi Gin Tonic“

Vorweg: Hochwertige japanische Cold-Brew-Dripper wie die von Christian Janzen in der Hamburger Dripbar kosten zwischen 500 und 1.000 Euro. Günstigere Heim-Dripper gibt es aber zum Teil schon ab 50 Euro.

In den Filter kommen Grapefruit-Zesten, zusammen mit im Mörser leicht angestoßenen Kardamomkapseln und leicht zerrupften, frischen Minzeblättern. Über diese Mischung jetzt für rund 24 Stunden Gin (oder Wodka) aus dem Glaskolben in die Karaffe drippen lassen. Diesen „infusionierten“ Alkohol jetzt mit Soda oder Tonic Water auffüllen – fertig ist dein eigener Drip-Gin-Tonic!

Mayribi Gin Tonic